18. Juni 2021

Design Thinking in der Digitalisierung

Komplexe Prozesse vereinfachen – für Gäste und Anbieter
Keycard Arosa Lenzerheide | © Christian Wyrsch
Komplexe Prozesse vereinfachen – für Gäste und Anbieter

Seit der Einführung der dynamischen Preise bei den Bergbahnen Arosa Lenzerheide konnten wir eine enorme Steigerung des Online-Umsatzes im Ticketshop erzielen und haben in der vergangenen Saison 73% der Tickets online verkauft. Was für den Gast nach einer einfachen Sache aussieht, war und ist in der Umsetzung anspruchsvoll. Der Kaufprozess muss insbesondere online unkompliziert und übersichtlich sein, da die Kundin oder der Kunde den Prozess ansonsten ohne zu zögern abbricht. Eine Herausforderung war beispielsweise die Integration der Möglichkeit, einen Datenträger im Ticketshop direkt zu laden. Diese Funktion haben wir komplett neu implementiert und später mit dem SwissPass als zusätzlichen Datenträger sowie einem Kundenkonto ergänzt. 

Wichtig war für uns, dass die Möglichkeiten für die direkte Ladung genügend gut ersichtlich ist, der Buchungsprozess aber nicht unnötig behindert wird. Gleichzeitig mussten verschiedene Spezialfälle geregelt werden. Beispielsweise wenn der Datenträger zu Hause gelassen wird, dieser ausgetauscht oder ein Ticket aus der Buchung storniert werden muss. Jeder dieser Punkte löst eine kleine technische Herausforderung im Zusammenspiel von Shop und Zutrittssystem aus. Am Ende waren manche Dinge nicht wie gewünscht umsetzbar und für einige wenige Fälle, die nicht häufig auftreten, wurden Lösungen mit einer manuellen Service-Leistung aufgebaut.  

Einfache Prozesse – auch hinter den Kulissen

Neben einer guten Lösung für den Gast muss der Onlineverkauf auch hinter den Kulissen effizient gemanagt werden können. Der Buchungsprozess soll einen möglichst geringen Supportbedarf ergeben, es dürfen nur wenige Fehler auftreten und häufige Supportfälle wie Rückerstattungen müssen hocheffizient abgewickelt werden können. Ein komplexes Rückerstattungssystem hätte uns beispielsweise beim Lockdown vor gut einem Jahr einen erheblichen personellen Aufwand beschert.

Stetige Optimierung

Spannend sind auch die Rückmeldungen der Gäste, welche Funktionalität sie sich wünschen oder wie der Buchungsprozess aus ihrer Sicht aussehen müsste. Einige davon sind sinnvoll und interessant, andere kaum umsetzbar oder mit sehr hohem Aufwand für wenige Anwendungsfälle verbunden. Mit Blick auf den Aufwand, den wir laufend in die Optimierungen des Ticketshops stecken, freut es mich sehr, dass bei Gästebefragungen der Prozess im Ticketshop als einfach wahrgenommen wird. 

Bedürfnis und Nutzen definieren – mit Design Thinking

Bei der Umsetzung des Projekts «Ticketshop» fand ich den Ansatz von Design Thinking in Bezug auf die Digitalisierung besonders wertvoll:  

Gute Digitalisierung zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf die Nutzenden ausgerichtet ist. Sie soll bestehende Schmerzpunkte lindern bzw. eliminieren oder neuen Nutzen schaffen. Sie kann auch dazu verwendet werden, ein neues Geschäftsmodell umzusetzen, welches analog nicht möglich oder sehr aufwendig ist. Digitalisierung soll aber nicht nur für die Kundin und den Kunden Nutzen stiften, sondern gleichermassen für die Mitarbeitenden in den Unternehmen. 

Genauso wichtig ist es, dass man nicht in etwas investiert, was keinem oder nur einem geringen Bedürfnis entspricht. Um dieses Bedürfnis und den entsprechenden Nutzen zu definieren, hilft der Design Thinking Prozess mit seinen sechs Phasen: 

  • Verstehen: Es wird grob definiert, um was es geht. 
  • Beobachten: Der Nutzer wird beobachtet und ihm nachempfunden. 
  • Sichtweise definieren: Die Erkenntnisse werden verdichtet zu einem Bild. 
  • Ideen finden: Man entwickelt im Team verschiedenste Lösungsmöglichkeiten, um sich danach auf eine oder wenige zu fokussieren. 
  • Prototypen entwickeln: Es werden von ganz einfachen bis zu weit entwickelten Prototypen gebaut. 
  • Testen: Die Prototypen werden von der Zielgruppe getestet. 

Die Prototypen können ganz einfache Modelle sein, wie beispielsweise eine App, welche mit mehreren von Hand beschrifteten Mobiltelefonen aus Karton gebaut wird. Wichtig ist, dass die Phasen iterativ wiederholt werden, wenn sich aus einer späteren Phase neue zu berücksichtigende Erkenntnisse ergeben. Damit können laufend Erkenntnisse gewonnen und zur Verbesserung genutzt werden. Dieser Prozess geht auch nach der Entwicklungsphase weiter. 

Die Digitalisierung ist in sich, im Zusammenspiel mit der analogen Welt und den dahinterstehenden Prozessen, stets herausfordernd. Mit dem Vorgehen aus dem Design Thinking können wir aber Produkte besser auf die Gäste und die internen Bedürfnisse ausrichten. Dies lohnt sich oft auch bei der Einführung von weitgehend fertigen Digitalisierungslösungen.  

Christian Wyrsch | © Lenzerheide Bergbahnen AG
Autorenschaft
Christian Wyrsch
Zum Profil

Christian Wyrsch vertritt als Gast-Kolumnist die Bergbahnen Arosa Lenzerheide. Als Bereichsleiter Kasse und Verkauf verantwortet er bei beiden Bergbahnunternehmen unter anderem den Bereich Ticketing und damit den Aufbau und die Weiterentwicklung des Online Ticketshop sowie andere digitale Projekte hinsichtlich Gästeservices. 


Weitere Artikel der Autorenschaft

Ähnliche Beiträge