7. Mai 2025

Was ein Raum erzählen kann

Reportagenreihe «zTal und zBerg: Schanfigger Momentaufnahmen». Heute im Porträt: Annina Geeser und Katharina Meier vom Viadukt Museum Langwies.

Man «munggelt», in Langwies seien gewisse Räume des Bahnhofs gerade dabei, das Reden zu lernen. Das Erzählen. Das Verraten und Preisgeben. Man «munggelt» weiter, dass diese historischen Räume schon allein durch ihre Existenz laut seien, da sie tausende Geschichten in ihren Wänden, Böden, Türen und Fenstern tragen. Dass sie jetzt jedoch noch den nötigen Schliff bekommen würden, um auch wirklich kommunizieren zu können. Als künftige Bestandteile des im Juli eröffnenden Viadukt Museums Langwies sollen sie schliesslich Inhalte vermitteln. Wissen verbreiten. Neues verraten. Doch, wie funktioniert das? Und wer bringt diesen Räumen das Reden bei?

Theater, Film, Museum

Annina Geeser und Katharina Meier sind «glisglis», ein Kollektiv für Szenografie. Ein Beruf, der «nicht so bekannt ist», wie Annina Geeser zu Beginn des Gesprächs selbst betont. Und doch begegnen wir ihm eigentlich ständig. Als Szenografinnen gestalten sie nämlich Räume aller Art: Vom Bühnenbild für Theaterproduktionen über das Szenenbild von Fernsehsendungen oder die Requisiten für einen Film wie den «Tatort» bis hin zu Ausstellungs- und Museumsräumen. Verschiedene Räume. An verschiedenen Orten. Und momentan in Langwies: So sind sie es, die den eben genannten Langwieser Bahnhofsräumlichkeiten das Erzählen beibringen, das heisst, sie unter anderem mit Ausstellungsobjekten oder Texttafeln ausschmücken, und zwar so, dass es für die originalen Räumlichkeiten passend ist. Ganz genau überlegen sie sich dabei, wo und wie etwas, so zum Beispiel eine Fotografie, im Raum gezeigt wird und welche Materialien verwendet werden. Ihr Ziel ist es, die Historie des Viadukts und der Chur-Arosa-Linie für die Besuchenden erfahrbar zu machen. Die Räume sollen die Geschichte erzählen und nicht «nur» ausstellen. Dazu brauche es neben Kreativität ein grosses Gespür fürs Thema der Ausstellung.

Am Anfang steht das Thema

«Zuerst müssen wir ganz viel recherchieren», klärt Katharina Meier über die Anfänge des Raumgestaltens auf. Bevor sie also ihre konkreten Ideen fürs Einrichten und Inszenieren der Museumsräume entwickeln konnten, mussten sie sich zuerst ans Thema Langwieser Viadukt rantasten. Nebst einem Einlesen bestand die Recherche dabei vor allem aus Gesprächen mit Silvia Conzett oder Gion Caprez, der Kuratorin und dem Konservator des Museums. Diese Unterhaltungen seien immer sehr inspirierend gewesen, betont «glisglis», gerade mit Blick auf die Baugeschichte des Viadukts und damit verbundene wichtige Materialien. «Und sonst lassen wir uns natürlich stark von den Räumen selbst inspirieren», erzählt Katharina Meier weiter. Bei den Raumbegehungen achteten sie besonders darauf, was die Räume bereits aussagen und was in ihnen vorhanden ist. Nach diesem ersten Recherche-Teil kommt dann eine Idee aufs Blatt, mit dem Ziel, «die Geschichte visuell, haptisch und emotional im Raum erfahrbar zu machen», wie Annina Geeser erklärt. «In einem Museum kann der Inhalt ja gerne mal ein bisschen trocken sein», fährt sie schmunzelnd fort. Es sei daher wichtig, dass man einen atmosphärischen Rahmen schaffe, der über den Inhalt hinausreiche. Die Skizzen und Visualisierungen von Raumkonzepten, die «glisglis» fürs Viadukt Museum anfertigte,

wurden dann immer wieder im Museums-Team besprochen. Der Austausch mit dem ganzen Team, insbesondere mit der künstlerischen Leiterin des Museums Carla Gabrí, aber auch mit der Kuratorin, dem Konservator sowie auch – weil es ganz schön technisch werde – mit dem Bauleiter und Lichttechniker, sei von Anfang an zentral.

Das Material und das Vorhandene

Zwei Dinge unterstreichen die beiden als besonders wichtig für ihre Raumkonzepte. Zum einen sei das die sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Material. Schliesslich möchten sie das Material für eine Ausstellung so wählen, dass es zum thematischen Inhalt des Raums, aber auch zum Raum selbst passt. In Zusammenhang mit dem Viadukt Museum haben sie dazu – wie bereits erwähnt – vor allem in den Gesprächen über die Baugeschichte des Viadukts mit Gion Caprez viel Inspiration sammeln können. Geeser und Meier erklären es anhand des Museumsraums «Schuppen», in welchem die Baugeschichte des Viadukts gezeigt werde: Bei diesem Raum haben sie sich für den Beton als vorherrschendes Material entschieden, da Beton in Zusammenhang mit dem Bau des Viadukts nicht wegzudenken sei. Wenn die Besuchenden also ab Juli den Raum betreten, werden sie – ohne erst darüber nachzulesen – spüren, wie wichtig der Beton fürs Viadukt ist.

Zum anderen unterstreichen sie den Blick für das bereits Dagewesene. «Wir lassen uns von schon Vorhandenem im Raum inspirieren und finden es wichtig, dass man nicht einfach alles rausreisst und neu macht», betont Annina Geeser. Gerade beim Viadukt Museum Langwies sei das wichtig. Die Bahnhofsräume, die «glisglis» hier gestaltet, erzählen schliesslich selbst bereits Geschichten. So zum Beispiel das ehemalige Materialdepot mit seinem alten Regal. Dass sie dieses Regal als Gestaltungselement fürs Museum im Raum lassen möchten, sei für sie direkt festgestanden.

Der Betonpfeiler und das Lehrgerüst

Momentan ist alles noch im Geschehen: Noch immer wird an den letzten Details der Visualisierungen gefeilt und neu Hinzukommendes im Team besprochen. Bis zum Juli wird also noch einiges passieren. Doch bevor wir nach vorne schauen, werfen wir nochmals einen kleinen Blick zurück. Als einen besonderen Moment der letzten Monate heben die beiden Szenografinnen die erste Begehung des Betonpfeilers – welcher für die Gäste des Museums zugänglich sein wird – und das Zuhören des sich langsam anbahnenden Zuges hervor. «Wenn der Zug über die Brücke fährt, ist es unglaublich laut. Die Luft vibrierte fast», erzählt Annina Geeser, welche selbst in Arosa aufgewachsen ist und schon hunderte Male mit dem «Arosa-Bähnli» über den Langwieser Viadukt gefahren sei. «Man spürte diese Kraft. Alles, was der Viadukt aushalten muss», ergänzt Katharina Meier. Begeistert erzählen sie zudem von ihrem Besuch im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern, um das Lehrgerüst Modell des Viadukts zu besichtigen. Das sei sehr faszinierend gewesen.

Verbindungen

Mit Blick auf die Eröffnung des Museums freuen sich die beiden Szenografinnen vor allem darauf, die Reaktionen der Menschen zu sehen. Ausserdem erhoffen sie sich, dass das Museum etwas Verbindendes haben werde. Es verbinde ja bereits Vergangenheit mit Gegenwart. Es wäre schön, meinen die beiden, würde es – wie die Brücke selbst – auch Menschen verbinden. So oder so. Die Räume des Museums werden mit den Leuten reden. Mit LED beleuchteten Kartenausschnitten. Betontafeln. Drehbaren Zeitstrahlen. Alten Regalen. Bilderwürfeln. Wertvollem Archivmaterial. Und vielem mehr. Es wird laut. Oder leise? Auf jeden Fall wird einiges erzählt.

Autorenschaft
Gianna Turra
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