Neuentdeckungen und Altbewährtes beim 7. Arosa Mundartfestival
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Sprachliche Reise durch die Schweiz
Der Eröffnungsabend legte den Fokus auf das Baselbiet. Auf einer metaphorischen «Busfahrt» durch die Region stiegen nach und nach Künstlerinnen und Künstler zu, sprich: auf die Bühne. Schriftstellerin Rebekka Salm, Spoken-Word-Künstlerin Daniela Dill, der Kabarettist Dominik Muheim, Chansonnier Florian Schneider und Satiriker Stefan Uehlinger unterhielten das interessierte Publikum mit Musik, Darbietungen und Diskussionen über den Landkanton. Zum Abschluss begeisterte das Florian Schneider Trio die Zuhörenden mit seinen «Schangsongs». Nach Graubünden ging es am Freitag: Leonie Barandun-Alig, Präsidentin der Walservereinigung Graubünden, gab Markus Gasser und Nadia Zollinger Auskunft über die Dialektvielfalt des Bündnerlands. Ohnehin war Vielfalt während des ganzen Festivals ein wichtiges Gesprächsthema. Besucherinnen und Besucher hatten Gelegenheit, mit dem SRF-Mundartexperten André Perler seltene Ausdrücke, Namen und Dialekte zu diskutieren und mehr über die Nuancen der Mundart zu erfahren. Das Angebot wurde rege genutzt und stiess weitere Dialoge an. Mehr denn je gelang es, Mundart in all ihren Facetten lustvoll zu verhandeln.
Am Freitagabend folgte traditionsgemäss «Ds Beschte vom Beschte», ein Abend, an dem sämtliche Festival-Teilnehmenden im Vier-Minuten-Takt Ausschnitte aus ihrem Repertoire oder gar unveröffentlichte Werke präsentierten. Der fünffache Poetry-Slam-Schweizermeister Dominik Muheim gewann das Publikum mit seinen Texten und dem Gespür für gute Geschichten. Die Appenzeller Sängerin, Songwriterin und Multi-Instrumentalistin Riana präsentierte einen bisher unveröffentlichten Song erstmals vor Publikum und faszinierte dieses mit ihrem Talent und ihrer Präsenz. Moderiert wurde der Abend von Spoken-Word-Künstlerin Jane Mumford. Sie führte wortgewandt durch das abwechslungsreiche Programm und griff selbst zur Gitarre, um Franz Hohlers «Totemügerli» zu interpretieren – allerdings zur Melodie von Mani Matters «Eskimo». Mit einem Konzert rundete Michael von der Heide den Abend ab und präsentierte mit seiner Band eine eigens für das Festival zusammengestellte Auswahl an Liedern, mit Klassikern von «Il pleut de l’Or» bis «Eusereine chönnt das au». Mit einer spontanen Einlage brachten von der Heide und Band den Saal zum Kochen: Sie boten «Gigi vo Arosa» dar, Ines Torellis unvergessenen Hit von 1975. Nebst musikalischer Trouvaillen wusste von der Heide das Publikum mit Charme, Witz und Ironie zu bezaubern, ehe er es mit einer Akustik-Version des Titels «Hinderem Berg» in die Nacht verabschiedete. Was für ein Entertainer!
Höhenluft und Hommage
Auf grosses Interesse stiess die Lesung des Berner Autors Walter Däpp am Samstagvormittag. Mit Texten aus seinem Buch «So alt wie hütt bin i no nie gsi» lud er zum Nachdenken über das eigene Älterwerden ein, Alleskönner Markus Schönholzer streute spontan Lieder zum Thema ein. Und gab danach Auskunft über die von ihm entwickelte App «Songmapp», eine klingende Handy-Landkarte, die es erlaubt, an verschiedenen Standorten in und um Arosa Höhepunkte früherer Festivals nachzuhören.Gedankenanstösse gab es auch am Samstagnachmittag in luftiger Höhe auf 2653 m. ü. M. von Michel Gsell und Peter Gurtner. Sie bilden das Kult-Duo 2Ster und erfüllten das Panoramarestaurant Weisshorngipfel mit ihren skurril-poetischen Songs. Die Aussicht auf das umliegende Bergmassiv und die untergehende Sonne vervollständigten das Gipfelerlebnis. Für Überraschung und Freude sorgte die Band Ruederer aus dem Sensebezirk, die auf dem Weisshorn und im Dorf Arosa Spontankonzerte unter freiem Himmel gaben und damit anwesende Geniesser:innen der Aroser Bergluft mit mehrstimmigem Gesang verzückten. Zurück im Kursaal, forderte Jane Mumford die Lachmuskeln des Publikums und stellte sich den grossen Fragen des Lebens. Es folgte ein berührendes Unplugged Set von Mattiu, dem Musiker aus der Surselva, zusammen mit seinen Schwestern Tiziana und Nina Defuns. Nach ihren verschiedenen Open-Air-Konzerten krönten Ruederer den Abend im Kursaal. Auf vielfältigen Wunsch nach ihrem Auftritt im Jahr 2021 zurückgekehrt, bewiesen sie, warum sie nochmals nach Arosa gehörten. Der Sonntag stand im Zeichen des grossen Schweizer Autors und Kabarettisten Franz Hohler. Weil Hohler gesundheitlich daran gehindert war, selbst anzureisen, erfolgte die Ehrerbietung «Lieber Franz…! Eine Hommage zum achtzigsten Geburtstag». Cellistin Fatima Dunn eröffnete mit ihrer Interpreation von Hohlers Lied «Dienschtverweigerer», rasch wurde klar, dass hier ein grosser Künstler geehrt wurde und gleichzeitig eine grosse Künstlerin auf der Bühne sass. Festivalleiter Bänz Friedli sprang selbst ein, nahm kabarettistisch Bezug auf Hohlers bekanntes «Bärndütsches Gschichtli» und bewies wortgewandt, wie grosse Werke zu weiteren grossen Geschichten inspirieren. Rebekka Salm berichtete von persönlichen Begegnungen mit Hohler und darüber, wie es für sie als Autorin war, aus dem Schatten des grossen Oltner Autors zu treten und in einer Mischung aus Bewunderung und Befreiung zum eigenen Stil zu finden. Dennoch erwies sie dem Doyen lautmalerisch und wortspielerisch mit dem eigens geschriebenen Text über das Wort «chrüfzere» die Ehre. Walter Däpp lobte Hohlers Mut, sich «das Kurze, das Einfache, das Kindliche» zu bewahren. Mit den Klängen von Fatima Dunns eigener Komposition «Dunnä im Tal» endete das diesjährige Treffen der Schweizer Mundartszene in den Bündner Bergen.
Gelebte Vielfalt am Arosa Mundartfestival
Seit der Entstehung macht es sich das Arosa Mundartfestival zur Aufgabe, verschiedene Genres, Generationen und Regionen zu verbinden, vermeintlich Gegensätzliches gemeinsam auf die Bühne zu bringen und wertvolle Begegnungen zu ermöglichen. Dass dies gelingt, ist zu grossen Teilen dem künstlerischen Leiter Bänz Friedli zu verdanken. Er ist es, der die Künstler:innen in die Höhe einlädt und dem Publikum am Arosa Mundartfestival eine ausgewogene Vielfalt an Darbietungen ermöglicht. «Für mich ist es wunderbar, wenn die 23-jährige Slampoetin Jovana Nikic aus Bern neben der bald 78-jährigen Rheintaler Autorin Berta Thurnherr auf der Bühne steht. Was zunächst als diametral unterschiedlich erscheint, ändert sich sofort, wenn beide berichten, sie hätten ihre Texte während der Anreise in der Rhätischen Bahn verfasst» sagt Friedli. «Zwei verwandte Slammerinnen, beide jung und aufmüpfig im Geist – mit dem einzigen Unterschied, dass die eine ihren Text ins Handy getippt, die andere den ihren von Hand auf Papier gekritzelt hat.»
Friedli freut sich, «dass es uns gelungen ist, mit diesem Festival einen Ort des Austauschs zu schaffen». Seinen Kopf hat der künstlerische Leiter bereits am achten Arosa Mundartfestival, das von 3. bis 6. Oktober 2024 stattfindet. Namen will er noch keine verraten. «Aber wir blicken zurück in die Geschichte des Berner Rocks von Rumpelstilz bis Chlöisu Friedli und schauen Voraus in die Zukunft des Schweizer Kabaretts», sagt er. «Diese Zukunft ist weiblich.» Und was hat Friedli selbst an «seinem» Festival 2023 gelernt? «Dass unplugged auf Sursilvan ‹unplugged› heisst», sagt er mit einem Lachen.
Auch in der Zwischenzeit kann Mundartkunst in Arosa genossen werden. Die App «Songmapp» ermöglicht das ganze Jahr über in Momentaufnahmen des Arosa Mundartfestivals einzutauchen. Zudem wird Radio SRF 1, das bereits live vom Arosa Mundartfestival gesendet hat, in den nächsten Wochen zahlreiche Sendungen und Podcasts der Formate «Spasspartout» und «Dini Mundart» mit Aufnahmen vom Festival ausstrahlen.